Was hat das chinesische Unternehmen Huawei in der vergangenen Dekade für einen Aufstieg erlebt. Während es vor einigen Jahren noch darum ging, den europäischen Markt für Huawei Produkte zu öffnen, konkurriert man mittlerweile mit den Big Playern wie Samsung, Apple, LG und ist selbst zu einem Branchenriesen geworden. Auf den Smartwatch-Zug sprang Huawei mit der Huawei Watch früh auf und konnte durch hochwertige Verarbeitung und exzellentes Design überzeugen – trotz Premium-Preisen. Nun diversifiziert Huawei also mit einer Fitnessuhr, die etwas mehr sein will als ein sportlicher Begleiter. Ob Huawei auch einen Fuß in den umkämpften Sportuhren-Markt bringen und mit der Huawei Fit überzeugen kann, erfahrt ihr in unserem ausführlichen Praxistest.
Nähern wir uns der Huawei Fit über die Technik-Fakten an: Das Display der Smartwatch ist 1,04 Zoll groß und die Auflösung beträgt 208 x 208 Pixel bei 200 DPI. Für alle, die mit diesen Zahlen nicht viel anfangen können: Die Huawei Fit gehört zu den wenigen Fitnessuhren mit Touch-Display. Der Bildschirm ist im Vergleich zu einer Smartwatch (z.B. Samsung Gear S3, 1,3 Zoll Display) relativ klein, außerdem handelt es sich um ein Monochrom-Display (schwarz/weiß). Mit 200 DPI ist die Auflösung für diese Bildschirmgröße recht passabel, wäre aber nur bei einem Farbdisplay relevant. Das Display der Huawei Fit ist hinterleuchtet. Wahlweise lässt sich einstellen, ob die Hintergrundbeleuchtung über einen Helligkeitssensor automatisch reguliert (an/aus) wird oder ob sie dauerhaft an bzw. aus ist.
Wie bereits erwähnt, verfügt die Huawei Fit über ein touch-sensibles Display. Von der Reaktionsfreudigkeit des Touchscreens sind wir allerdings abgeschreckt. Die Steuerung per Touch-Gesten durch die Menüs funktioniert so schlecht und langsam, dass die Bedienung wirklich keinen Spaß macht. Ein Beispiel: Indem man von unten nach oben wischt, scrollt man durch die einzelnen Menüpunkte. Ausgewählt werden sie durch Tippen auf das Icon. Zurück zum Watchface gelangt man, indem man von links nach rechts über den Bildschirm wischt. Klingt erstmal recht einfach und intuitiv und das wäre es in der Praxis auch, wenn wir bei der Bedienung nicht ständig damit zu kämpfen hätten, genau die richtige Position für die Touchgesten zu erwischen. Hinzu kommt unsere Ungeduld, wir sind von Smartwatch Betriebssystemen wie android wear oder Tizen eine extrem flotte Reaktionsgeschwindigkeit gewohnt. Das können wir vom OS der Huawei Fit aber nicht behaupten. Vor allem das Zurückspringen zum Ziffernblatt ist mit Verzögerungen verbunden. Letztlich führt das dazu, dass man an sich selbst zweifelt und sich immer wieder fragt, ob man die drei Touchgesten (Scrollen, Auswählen, Zurück) auch wirklich richtig gelernt hat.
In Sachen Touch-Display hätten zwei Dinge bei der Huawei Fit Abhilfe geschaffen: Zum einen hätte es Sinn gemacht, die Smartwatch mit einem Hardware-Button auszustatten, der die Zurück-Funktion ersetzt. Zum anderen muss Huawei an der Sensibilität des Touchscreens arbeiten. Eine Bedienung während eines Lauftrainings ist derzeit ausgeschlossen. Darüber hinaus hätte die Hintergrundbeleuchtung der Huawei Fit durchaus etwas heller ausfallen oder zumindest in Stufen regelbar sein dürfen.
Doch der so genannte Memory LCD Bildschirm hat einen großen Vorteil: Er schont den Akku. Die Laufzeit gibt Huawei mit durchschnittlich 6 Tagen an. Wir sind in unserem Test sogar auf fast 7 Tage (6 Tage und 18 Stunden) gekommen. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass wir nachts den Pulssensor ausgeschaltet haben. Das führt uns bereits zum nächsten Kritikpunkt an der Huawei Fit. Die Rückseite der Smartwatch ist in Trichterform gebaut, sodass der Herzfrequenzmesser auf der Handgelenksoberseite aufliegt. Bedingt durch diese Form leuchtet der aktivierte Pulsmesser nachts allerdings so hell, dass er nicht nur den eigenen Schlaf, sondern auch den des Partners stört. Selbst wenn man das Armband besonders eng umschnallt, dringt noch genügend grünes, stoboskopartiges Licht durch und blendet den User. Schielt man zu anderen Herstellern mit kontinuierlich arbeitenden Pulsmessern wie Garmin (vivoactive HR) oder Samsung (Gear Fit 2), so muss man feststellten, dass die Umsetzung dort deutlich besser geglückt ist.
Sensorseitig ist in der Huawei Fit ein Accelerometer (Beschleunigungssensor), ein Gyrometer (Lagesensor) sowie der angesprochene Pulsmesser verbaut. Darüber hinaus verfügt die Huawei Fit über einen Helligkeitssensor, der nahezu unsichtbar links neben der 12-Uhr Position sitzt. Die Displaybeleuchtung wird dadurch allerdings nicht in Stufen geregelt, der Sensor beherrscht lediglich Licht an und Licht aus.
Wie bei jeder Smartwatch bzw. jedem Fitness-Tracker, den wir testen, haben wir auch bei der Huawei Fit die Genauigkeit der verbauten Sensoren überprüft. Sowohl der Beschleunigungssensor, der für die Aufzeichnung der Schritte und der zurückgelegten Distanz zuständig ist, als auch der Pulsmesser, bekommen in unserem Praxistest leider das Prädikat „ungenau“. Wir haben die Huawei Fit einige Tage lang zusammen mit der Fitbit Charge 2 (Praxistest) und der Garmin vivoactive HR (Praxistest) getragen. Beide Sportuhren sind für ihre Sensorgenauigkeit bekannt. Die Abweichungen dieser Smartwatches zur Huawei Fit betrugen bei den Schritten zwischen 10 und 15 Prozent (weniger aufgezeichnete Schritte bei der Huawei Fit) und noch eklatanter viel das Testergebnis bei der Pulsmessung aus. Hier zeigte uns die Huawei Fit teilweise deutlich zu hohe Herzfrequenzen an, die eigentlich auf ein intensiveres Training (z.B. ein ambitionierter Lauf oder eine schnelle Runde mit dem Fahrrad) hinweisen, als auf einen Spaziergang mit leicht erhöhtem Puls. Die Abweichungen lagen streckenweise knapp 20 Herzschläge pro Minute über den Messungen der Gear Fit 2 und der vivoactive HR. Hier hätte es ggf. mehr Sinn gemacht, auf eine Intervallpulsmessung zu setzen und dafür einen besseren Sensor zu verbauen, als auf kontinuierlich (falsche) Ergebnisse des Pulsmessers.
Wen die Abweichungen des Herzfrequenzmessers nicht weiter stören, der kann auf eine Reihe nützlicher Fitness-Benachrichtigungen auf der Huawei Fit zurückgreifen. So informiert die Uhr darüber, mit welchem Intensitätsgrad man trainiert und warnt vor Überbelastungen. Die Belastungsgrenzen werden per Companion App vorher festgelegt (z.B. eine maximale Herzfrequenz von 160 bpm) und die Huawei Fit vibriert, sobald diese Grenze beim Training überschritten wird. Man kann sich außerdem darüber informieren lassen, ob man zu langsam läuft oder genügend Kalorien verbrennt. Darüber hinaus hat die kontinuierliche Aufzeichnung der Herzfrequenz den Vorteil, dass man die Tagesbelastungen in einer Kurvengrafik anschaulich einsehen kann.
Für ambitionierte Sportler bietet die Huawei Fit sogar eine Auswertung des VO2max Wertes. Für alle, die sich mit Fitness-Kennzahlen nicht so gut auskennen: Der VO2max Wert sagt etwas darüber aus, wie viel Sauerstoff der Körper während einer anstrengenden sportlichen Aktivität aufnehmen kann. Wer also einen hohen VO2max Wert hat, besitzt in der Regel eine bessere Ausdauer. Gerade für Läufer, die längere Strecken (über 10 km) zurücklegen, ist dieser Wert interessant. Dass die Huawei Fit den VO2max ausgibt, ist keine Selbstverständlichkeit. Selbst deutlich funktionsreichere und teurere Sportuhren zeichnen diesen Wert teilweise nicht auf. Erst im Premium-Segment (z.B. Garmin Fenix Modelle, Suunto Spartan oder Polar M600) gehört die Messung des VO2max zum guten Ton.
Insgesamt 5 Trainingsmodi beherrscht die Huawei Fit: Laufen (Jogging), Gehen, Radfahren, Laufbandtraining und Schwimmen. Durch eine Wasserdichte von 50 Metern ist die Smartwatch daher auch für Schwimmer interessant. Eine automatische Erkennung der verschiedenen Trainingsmodi unterstützt die Uhr hingegen nicht.
Die Huawei Fit will mehr sein, als ein Fitness-Tracker. Das erkennt man nicht nur am 1,04 Zoll großen Touch-Display, sondern auch an den Benachrichtigungsfunktionen. Scrollt man auf dem Ziffernblatt von links nach rechts, kommt man in das Benachrichtigungsmenü. Hier werden verpasste Anrufe sowie Messages von Drittanbieter-Apps wie WhatsApp, Skype, Outlook und Co. angezeigt. Die Berechtigungen müssen zuvor in der Companion App „Huawei Wear“ gesetzt werden. Wer seinen Partner morgens nicht wecken möchte, kann außerdem den stummen Alarm der Huawei Fit nutzen. In der Huawei Wear App lässt sich die Weckzeit einrichten, die Huawei Fit vibriert dann zum entsprechenden Zeitpunkt. Die Stärke des Vibrationsalarms lässt sich nicht verändern, obwohl das durchaus sinnvoll gewesen wäre. Manchen Usern ist die Intensität des Vibrationsalarms von Konkurrenzprodukten wie der Fitbit Charge 2 zu stark, doch für Morgenmuffel könnte die die sanfte Vibration der Huawei Fit zum Verhängnis werden.
Die Huawei Fit präsentiert sich ohne große Schnörkel. Die komplett runde, aus einem Edelstahl-Unibody geformte Fitness-Uhr macht einen dezenten und hochwertigen Eindruck. Die Zierlünette um das Display sorgt für den klassischen Uhren-Look. Mit Maßen von 39,4 mm Durchmesser und 9,9 mm Dicke gehört die Huawei Fit zu den kleineren Display-Uhren. Nicht nur von der Größe, auch vom Grunddesign ist die Fitnessuhr mit der Pebble Time Round vergleichbar. Pebble hat es geschafft, das Gehäuse 2 mm dünner zu gestalten, aber alles unter 10 mm ist schon sehr flach und passt unter jedes Hemd, jeden Pullover und jedes Fitness-Shirt. Im Gegensatz zur Withings Activité, die am Arm recht klein wirkt, macht die Huawei Fit selbst an Männerhandgelenken mit größerem Umfang eine gute, unauffällige Figur.
Wer es etwas auffälliger mag, kann zur silbernen Variante greifen oder zu den wechselbaren Silikonarmbändern in schwarz, blau oder orange. Für unseren Praxistest liegt uns die schwarz legierte Version mit schwarzem Armband vor, die wohl am dezentesten wirkt. Wer den Look von Fitnessuhren mag, dem empfehlen wir die silberne Version mit orangenem Armband. Alternativ lässt sich via Schnellwechselmechanismus auch jedes handelsübliche 20 Millimeter Band verwenden. Beim Kauf der Huawei Fit solltet ihr außerdem darauf achten, die richtige Armbandlänge zu wählen. Für dünnere Handgelenke eignet sich die Größe S (Länge von 229,5 mm), die Männerwelt greift besser direkt zur Größe „L“ mit einer Gesamtlänge von 246,5 mm. Wer sich unsicher ist, sollte vorher sein Handgelenk mit einem Maßband ausmessen.
Wie bereits weiter oben angesprochen, verfügt die Huawei Watch nicht über einen Hardware-Button. So wirkt das Design noch schnörkelloser, der Charme einer klassischen Armbanduhr geht dadurch aber etwas verloren. Ein großer Vorteil des Unibodys ist allerdings, dass keine Dichtungen für zusätzliche Knöpfe verbaut werden mussten und die Uhr so 50 Meter wasserdicht ist. Huawei weist allerdings darauf hin, dass sich dieser Wert auf Süßwasserpools bezieht. Ob es im Salzwasser Probleme mit der Wasserdichte geben könnte, bleibt unklar.
Das mitgelieferte Ladedock bekommt von uns ein großes Lob. Die Huawei Fit wird magnetisch von der Ladeschale angezogen und hält darin bombenfest. Im Gegensatz zu anderen Geräten wie z.B. der ASUS ZenWatch 2 muss man hier kein Fingerspitzengefühl beweisen, um das Gerät zu laden. Das Dock der Huawei Fit wird mit dem mitgelieferten USB-Kabel direkt mit einem USB-Port verbunden. Ein Netzstecker wird nicht mitgeliefert, was uns im Praxistest nicht weiter gestört hat.
Huawei hat für seine Sportuhr ein eigenes, wenn auch rudimentäres, Betriebssystem entwickelt. Das hat den Vorteil, dass sowohl android Smartphones, als auch iPhones vollständig mit der Huawei Fit kompatibel sind. Voraussetzung für Apple User ist iOS 8.0, android User benötigen ein Smartphone mit mindestens android 4.4.
Verbunden wird über den neusten Bluetooth Low Energy Standard (4.2). Das schont sowohl den Akku der Smartwatch, als auch den des Smartphones. In unserem Praxistest haben wir die Huawei Fit problemfrei mit einem iPhone 6, einem LG G5 (android 7.0) und einem Huawei Nova (android 6.0) verbunden. Die Companion App „Huawei Wear“ lässt sich entweder über eine Suche im Google Play Store bzw. iTunes Store, oder über den QR-Code downloaden, der auf der Huawei Fit angezeigt wird. Für Letzteres benötigt ihr eine QR-Code Reader App.
Die Huawei Wear Companion App hat uns sehr gut gefallen. Alle wichtigen Funktionen sind einfach zu finden und zu konfigurieren. Auf der Startseite der App werden alle Fitness-Daten übersichtlich dargestellt. Besonders praktisch fanden wir das Feature, eigene Trainingspläne zu erstellen. So kann man sich einen individuellen Wochenplan mit verschiedenen Sportarten, Intensitäten und Intervallen erstellen und wird von der Huawei Fit auf anstehende Trainings aufmerksam gemacht. Wer für das Fitness-Tracking nicht die Huawei Wear App nutzen möchte, kann die Huawei Fit auch mit der „UP“ App von Jawbone, Google Fit und MyFitnessPal verbinden.
Knapp 150 Euro kostet die Huawei Fit aktuell bei Online-Händlern wie amazon.de. Ein stattlicher Preis, für eine Sportuhr, die nicht GPS-fähig und mit einem Monochrom-Display ausgestattet ist. Auch wenn die Huawei Fit durch das klassische Uhren-Design schick ist und mit kontinuierlicher Herzfrequenzmessung überzeugen möchte, ändert das nichts daran, dass es genügend Konkurrenzprodukte gibt, die deutlich funktionaler sind und eine bessere Performance bieten – im gleichen Preissegment.
Allen voran lässt sich hier die Samsung Gear Fit 2 nennen. Sie liegt derzeit bei 179 Euro, verfügt aber über ein GPS-Modul, mehr Trainingsmodi und DAS beste Display im Bereich der Sportuhren (curved Super AMOLED). Die Gear Fit 2 sieht zwar im Vergleich zur Huawei Fit aus wie eine Sportuhr, doch auf dem Farbdisplay lassen sich eine Reihe von ansprechend designten Watchfaces einstellen, sodass die längliche Form nicht so sehr ins Gewicht fällt.
In Sachen Sensorgenauigkeit kommt außerdem die Fitbit Charge 2 in Betracht. Sie verfügt über die genaueste, kontinuierliche Herzfrequenzmessung und Huawei kann sich bei der flüssigen Touch-Steuerung noch einiges abschauen. Preislich liegt die Fitbit Charge 2 mit 139 Euro (bei amazon) sogar unterhalb des Anschaffungspreises der Huawei Fit. Wer sich vom VO2max Feature der Huawei Fit angesprochen fühlt, bekommt immerhin mit der Sportuhr das günstigste Device mit diesem Feature – durch die Sensorungenauigkeiten ist der tatsächliche Nutzen am Ende aber zumindest fraglich.
Technik und Funktionsumfang
Design und Verarbeitung
Kompatibilität und Konnektivität
Preis-Leistungs-Verhältnis
Fazit
Schade Huawei, aber mit der Huawei Fit habt ihr euch nicht wirklich einen Gefallen getan. Als große Fans der edlen android wear Smartwatch „Huawei Watch“ haben wir einfach mehr erwartet. Das träge Touch-Display mit Monochrom-Anzeige sowie die festgestellten Messungenauigkeiten bei den Bewegungssensoren sind definitiv zwei Punkte, die uns und viele weitere User stören werden. Zumal es auf dem mittlerweile lebhaften Markt der Sportuhren einige Konkurrenzprodukte gibt, die preislich ohne Weiteres mit der Huawei Fit mithalten können und das Wearable technisch weit übertreffen.
Besonders tröstlich ist es da am Ende auch nicht, dass die Huawei Fit mit dem komplett runden Gehäuse aus einem Block Edelstahl ein Design- und Verarbeitungshighlight ist. Auch die Companion App „Huawei Wear“ hat uns überzeugt und konnte mit Features wie einem individuellen Trainingsplan punkten. Insgesamt ist das aber zu wenig, um mit der Fitbit Charge 2 (139 Euro, amazon.de) oder der Samsung Gear Fit 2 (179 Euro, amazon.de) mithalten zu können.
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* Preis wurde zuletzt am 18. März 2020 um 23:06 Uhr aktualisiert.