Auf der MWC 2016 hat die Deutsche Telekom eine Kooperation mit will.i.am angekündigt, der die sprachgesteuerte dial Smartwatch und den Sprachassistent AneedA vorgestellt hat.
Bevor wir der Frage nachgehen, ob die Telekom in die richtigen Partner und Technologien investiert, erklären wir euch erst einmal worum es eigentlich geht. Die Deutsche Telekom hat auf dem Mobile World Congress 2016 in Barcelona eine Pressekonferenz zusammen mit will.i.am (ehemals Black Eyed Peas) abgehalten, auf der die Kooperation mit dem Tech-begeisterten Musiker bekannt gegeben wurde.
Konkret geht es um die Sprachsteuerungsplattform „AneedA“, die von will.i.ams Firma i.am+ entwickelt wurde und als Zukunftsvision angepriesen wird. AneedA ist im Prinzip ein Sprachassistent wie Siri oder Cortana, der Aktionen basierend auf Spracheingaben ausführen soll.
Die deutsche Telekom hat im Rahmen dieser Kooperation die Exklusivrechte an der zu AneedA gehörenden dial Smartwatch erworben. Das Gerät soll überwiegend über Spracheingaben funktionieren und ist eine vom Smartphone unabhängige Smartwatch mit eigener SIM-Karte. Die intelligente Uhr soll ein 2 Zoll großes Touch-Display haben, Lautsprecher und Mikrofon sind ebenfalls verbaut um eine autarke Nutzung zu garantieren.
Unter der Haube arbeiten ein Qualcomm Prozessor, 2 GB Arbeitsspeicher und stattliche 32 GB Flash-Speicher. Die dial Smartwatch soll auch eine Frontkamera für Videotelefonie beinhalten sowie ein GPS-Modul.
AneedA, die künstliche Intelligenz, die Sprachbefehle entgegennehmen kann, soll laut will.i.ams Vision deutlich ausgebaut werden und z.B. Emails verwalten, die Musikbibliothek managen und viele Informationen wie z.B. Bahn- oder Flugverbindungen recherchieren können. Bei der Präsentation auf der MWC wurde jedoch nicht deutlich, wie das System genau funktionieren soll. Es gab sogar Probleme bei der Vorstellung, weil eine dial Smartwatch nicht auf Sprachbefehle reagierte.
Wann die Smartwatch auf den Markt kommt, steht bisher noch nicht fest, ebenso wenig der Verkaufspreis. Sicher ist nur, dass sie exklusiv über die Telekom vertrieben und auch in den Läden der Telekom ausgestellt wird.
Das sollte als Überblick zur geplanten Kooperation der Telekom mit i.am+ reichen.
Ist die dial Smartwatch Kooperation ein sinnvoller Schritt der Telekom?
Kommen wir nun zur Beantwortung der Frage, ob eine solche Partnerschaft aus Sicht der Telekom sinnvoll ist.
Betrachten wir erst einmal die technische Ebene. Die dial Smartwatch macht an sich keinen schlechten Eindruck, vor allem weil sie durch eine eigene SIM-Karte und GPS-Modul komplett unabhängig vom Smartphone funktioniert. Die Hardware ist ebenfalls State-of-the-art. Über das Design der intelligenten Uhr kann man vortrefflich streiten, sieht sie doch mehr nach Fitness-Tracker (Vorbild Fitbit Surge??) aus, als nach eigenständiger Hi-End-Smartwatch. Auch der allgemeine Trend hin zu runden Smartwatches, die konventionellen Armbanduhren immer mehr gleichen, wurde bei der dial Smartwatch komplett missachtet. Aber gut, wir wollen nicht zu päpstlich sein.
Was ist mit i.am+? Hinter der Firma steckt der Musiker und Entrepreneur will.i.am, der mit der dial Smartwatch nicht den ersten Versuch unternimmt, auf dem Wearable-Markt Fuß zu fassen. Kann sich noch jemand an ein Device namens „Puls“ erinnern? Die Smartwatch, die z.B. vom Tech-Portal The Verge als „the worst product I“ve touched all year“ (zu deutsch: das schrecklichste Produkt, das ich dieses Jahr in den Händen hatte) bezeichnet und von der restlichen Fachgemeinde in Grund und Boden gestampft wurde? Klingelt da was? Nein? Gut, dann habt ihr das Gerät zum Glück nicht gekauft. Wer aber gern noch mal nachlesen möchte, warum das Gerät schrottreif war, kann das gern hier tun.
Damit hat sich die Telekom nicht nur als Werbegesicht sondern auch als Entwicklungsleiter die Person rausgesucht, deren innovative Puls-Smartwatch komplett versagt hat. Ohne entsprechenden Gegenbeweis schwer zu glauben, dass die dial Smartwatch nun ein revolutionäres, stabil laufendes Wearable sein soll.
Kommen wir zur Grundidee einer (fast) ausschließlich per Sprachbefehlen bedienbaren Smartwatch. Habt ihr bei dem Gedanken daran auch schon das Funkeln in den Augen? Nope. Eine reine Sprachsteuerung ist für ein mobiles Produkt – und das ist eine Smartwatch ohne Zweifel – einfach nicht praktikabel. Man stelle sich nur mal vor, man sitze in einem Meeting und möchte diskret seine Emails über die Smartwatch checken. Oder man ist auf einem Rockkonzert und möchte einen Anruf ablehnen. Es gibt zig Situationen, die eine Sprachsteuerung nicht zulassen. Anders sieht das bei stationären Geräten wie dem amazon Echo aus, das im Haus platziert wird und als zentrale Anlaufstelle für Spracheingaben aller Art dient. Dass die elektrischen Jalousien per Sprachbefehl heruntergelassen werden oder sich das per Bluetooth verbundene Radio im Bad anschaltet, macht absolut Sinn und hier ist Sprachsteuerung genau richtig eingesetzt. Will.i.am hat bereits angekündigt, dass er aus AneedA das erste rein sprachgesteuerte Betriebssystem für Smartwatches machen will. Und die Telekom feiert diesen Typ auch noch.
Aber wenn so viel gegen eine rein sprachgesteuerte Smartwatch – von einem Unternehmen, das noch kein vernünftig funktionierendes Device vorweisen kann – spricht, wieso ist die Telekom die Kooperation überhaupt eingegangen? Ganz einfach, das Telekommunikationsunternehmen steht unter Druck. Vodafone und O2/Eplus haben kürzlich einen Deal mit Samsung gemacht und bieten ab Mitte März 2016 eigene Mobilfunkoptionen für die eSIM-fähige Samsung Gear S2 3G.
Die Samsung Gear S2 gehört schon ohne nutzbares eSIM-Modul zu den derzeit besten Smartwatches mit innovativer Steuerung per Drehlünette und attraktivem Design. Durch das freigeschaltete eSIM-Modul wird die Smartwatch zu einem autarken Wearable mit Telefonfunktion. Strategisch betrachtet kann diese Kooperation zwischen Vodafone, O2/Eplus und Samsung nur gut ausgehen, weil Risikofaktoren im Vorfeld minimiert wurden.
Die Telekom hingegen geht mit der dial Smartwatch und der Kooperation das Risiko ein, eine weitere Lachnummer auf den Markt zu bringen, die keinen Absatz findet und dem Unternehmen bereits den Einstieg in die Smartwatch-Welt im Keim ersticken wird.
Da kann auch die immer freundliche Gesichtsmimik des laufenden Werbetransparents will.i.am nichts ändern.